Ist öffentlicher Raum ein Luxus?
Angesichts der überlauten Tagespolitik in allen Medien, welche Relevanz hat da die Diskussion um den öffentlichen Raum in der Schweiz?
Liebe Freunde und Freundinnen von OpenSquare
Die Welt ist in Aufruhr. Wir werden von Nachrichten überflutet. Internationale Meldungen und Reaktionen aus der Schweiz überschlagen sich. Wir bilden uns Meinungen, positionieren uns, grenzen uns ab, ignorieren sie. Angesichts der überlauten Tagespolitik in allen Medien, welche Relevanz hat da die Diskussion um den öffentlichen Raum in der Schweiz? Ist es nicht eine Luxusdiskussion?
z.B. Das Zementieren der Dominanz des Autos auf unseren Strassen mit dem Entscheid zu Tempo 50 des Zürcher Kantonsrats statt der Chance eines Miteinanders aller Verkehrsteilnehmenden mit Tempo 30? Die ständig wachsende Aussengastronomie mit ausufernden Boulevardcafés? Eine Veranstaltung nach der nächsten, die den öffentlichen Raum belegt? Immer mehr auch exclusiv? Die Verteilkämpfe im Strassenraum mit getrennten Fahrspuren, Veloautobahnen, statt breiten Trottoirs? Dauerparkende Autos und Ferienmobile in der blauen Zone, d.h. öffentlicher Raum zum Spottpreis vermietet? Werbeverbot im öffentlichem Raum? Die Kritik des Städteverbands an den Sparplänen des Bundes, der die urbanen Zentren ignoriert? Und vieles mehr.
Alles überflüssige Fragen und Sorgen unserer Wohlstandsgesellschaft?
Und dann sind da die Bilder aus der Türkei. Menschenmassen auf den Strassen und Plätzen. Der Kampf für Demokratie gegen die Macht einer Regierung, die sich immer autoritärer zeigt. Im öffentlichen Raum wird der Protest sichtbar, Ausgangssperren und Versammlungsverboten zum Trotz. Demokratie braucht öffentlichen Raum.
Doch Tendenzen der Nutzungseinschränkung des öffentlichen Raums, seiner Privatisierung, zunehmender Kommerzialisierung und Inszenierung als Eventbühne sowie neue, durch digitale Medien hervorgerufene Verhaltensweisen, lassen die freie Verfügbarkeit, Verteilung, Nutzung und Gestaltung zum politischen Brennpunkt werden. Der öffentliche Raum ist unter Druck, er braucht unsere Aufmerksamkeit. Auch in der Schweiz.
Ich kann nur schützen was ich kenne, sehe und schätze. Schärfen wir unsere Aufmerksamkeit. Gehen wir mit offenen Augen durch unsere öffentlichen Räume. Nehmen wir sie wahr. Mich beschäftigen Fragen zu meiner alltäglichen Umgebung.
Welche öffentlichen Räume nutze ich?
Und mit welchen Räumen bin ich besonders emotional verbunden?
Welche Räume werden falsch genutzt,- unter- oder übernutzt?
Wo hat sich die Qualität des öffentlichen Raums der Schweiz in den letzten Jahren verändert?
Und wie können neue Qualitäten geschaffen werden?
Was ist das grösste Problem im öffentlichen Raum?
Wie reagiere ich auf Einzäunungen und Abgrenzungen?
Wo geht der öffentliche Raum der Öffentlichkeit verloren?
Und Sie haben sicher weitere, eigene Fragen und Beobachtungen. Sie sind wertvoll. Der öffentliche Raum gehört der Öffentlichkeit. Seine Belegung, Aufteilung, Nutzung ist ein ständiger Aushandlungsprozess unserer demokratischen Gesellschaft. Der öffentliche Raum gehört uns allen. Und er ist Heimat.
Tragen wir Sorge zum öffentlichen Raum. Gerade wenn die Welt in Aufruhr ist.
Herzlichst
Gundula Zach
OpenSquare