Die Gestalt des städtischen Raums

Die Gestalt des städtischen Raums

Liebe Freundinnen und Freunde von OpenSquare

Wir sind stolz auf unsere Dörfer und Städte, und das zu Recht. Sie sind über Jahrhunderte entstanden, Ausdruck unseres kulturellen Bewusstseins und Teil unserer kollektiven Identität. Ihre Gebäude werden immer wieder erneuert, umgebaut, renoviert und auch durch neue ersetzt. Das wird in der Schweiz sehr sorgfältig gemacht: Kommissionen werden zusammengestellt, die Denkmalpflege eingesetzt, Architekturwettbewerbe veranstaltet, Projekte und deren Farb- und Materialkonzepte von Stadtbild-Kommissionen begutachtet, Mockups (1:1 Fassadenmodelle) gebaut. An den Projekten wird so lange gefeilt, bis eine Baubewilligung erteilt werden kann, und das dauert immer Jahre.

Eine besondere Aufmerksamkeit gilt den Fassaden und ihrer Farbgebung. In Zürich zum Beispiel hat das Amt für Städtebau eine Feldforschung in Auftrag gegeben. Sie beauftragte das «Haus der Farbe» in einer Erhebung sowohl die spezifische Quartierfarbigkeit wie auch die Gesamtfarbigkeit der Stadt Zürich zu ermitteln. Der aus der Studie entstandene Farbatlas «Farbraum Stadt: Box ZRH», bietet, so die Publikation, «eine breite Grundlage, um alle am Bauprozess Beteiligten dabei zu unterstützen, differenzierte und sachlich begründbare Farbentscheide zu fällen.»

Wie Sie zur stadtzürcherischen Farbbox stehen, ist Ihnen überlassen, aber sie steht in ihrer Sorgfalt in krassem Gegensatz zu dem, was zwischen den Strassenfassaden – auf dem Asphalt – geschieht. Dort haben nämlich die mit Markierungen und Piktogrammen wild gewordenen Technokraten das Sagen. Ihre Markierungen sind aufdringlich und plump, die verwendeten Farben schweizweit dieselben und sachlich kaum begründet: Die Fussgängerstreifen sind gelb, so die Recherche, weil auch die Wanderwege gelb sind, die Blaue Zone heisst so, weil die Parkfelder blau markiert sind und die grünen Bänder der Velovorzugsrouten sind grün, weil sie sich vom Rot des üblichen Velonetzes unterscheiden sollen. Dieses ist wiederum rot aus Gründen der Sichtbarkeit. Nur die barbiefarbenen Spielstrassen sind selbstredend!

Es scheint, als ob die Strassenbeläge mit ihren Markierungen immer weniger zum Strassenraum und damit zum Dorf oder zur Stadt gehörten. Sie sind Teil eines schweizweiten Verkehrsnetzes, das über Städte, Agglomerationen und Dörfer gestülpt und noch immer ausgebaut und perfektioniert wird. Ihre oft zu grossen, zu farbigen, penetranten Markierungen und Piktogramme sind überall gleich. Sie verunstalten nicht nur den Strassenraum, sie bestätigen und verfestigen insbesondere auch die Idee der Strasse als reine Fahrbahn. Sie bedeuten meist Einschränkungen zu Gunsten des Verkehrs, Ihre Mission ist der Verkehrsfluss, unabhängig von der Situation vor Ort und Ihren Bewohnern.

Strassen sind öffentliche Räume, sie sind für alle da. Das sollte sich nicht nur in den sorgfältig gestalteten Fassaden, sondern auch in der Gestaltung ihrer Strassenbeläge widerspiegeln.

Herzliche Grüsse

Thomas Schregenberger
OpenSquare

Nach oben scrollen